Es war einmal in einem kleinen, gemütlichen Haus am Rande einer bunten Blumenwiese, da lebte ein kleines Mädchen namens Lucy. Lucy war ein ganz besonderes Mädchen, nicht nur, weil ihre Lachfalten wie kleine Sonnenstrahlen aussahen oder weil sie die Sprache der Schmetterlinge zu verstehen schien, sondern weil sie ein Geheimnis hatte. Ein wunderbares, flauschiges und überaus bequemes Geheimnis: ihr Bett.
Von außen sah Lucys Bett ganz normal aus. Es war aus hellem Holz geschnitzt, das nach Wald und Abenteuer roch. Die Bettdecke war mit leuchtenden Sternen und einem freundlichen, zwinkernden Mond bestickt. Aber dieses Bett war alles andere als gewöhnlich. Es war ein Zauberbett. Ein fliegendes Traumbett.
Jeden Abend, wenn Lucy nach einem langen Tag voller Entdeckungen in ihr weiches Kissen sank und ihre Augen zufielen, geschah etwas Magisches. Sobald der erste Traum wie ein zarter Seidenfaden ihren Geist berührte, begann das Bett leise zu summen. Ein sanftes, tiefes Brummen, das sich anfühlte wie das Schnurren einer riesigen, unsichtbaren Katze. Dann, ganz langsam und sachte, hob es sich vom Boden ab. Die Bettpfosten verloren den Kontakt zum Holzboden, und das ganze Bett schwebte schwerelos im Raum, bereit für eine Reise durch die unendlichen Weiten der Traumwelt.
An diesem Abend war Lucy besonders müde. Sie hatte den ganzen Tag im Garten geholfen, kleine Erdbeerpflänzchen in die Erde zu setzen, und ihre Finger rochen noch immer süß nach Erde und Vorfreude auf den Sommer. Sie kuschelte sich unter ihre Sternendecke, schloss die Augen und dachte an die winzigen, grünen Blätter.
Und da war es wieder. Das sanfte Summen.
Lucy spürte, wie sich ihr Bett unter ihr leicht neigte. Sie öffnete im Traum ihre Augen und sah, dass ihr Zimmer schon weit unter ihr lag. Die Wände waren durchsichtig geworden, und sie konnte die schlafende Welt draußen sehen. Das Bett schwebte durch die Decke, als wäre sie nur ein Hauch von Nebel, und stieg höher und höher in den samtschwarzen Nachthimmel. Der gestickte Mond auf ihrer Decke schien nun mit dem echten Mond am Firmament um die Wette zu leuchten.
Ihr erster Traum in dieser Nacht war ein Traum vom Flüstern der Farben.
Das Bett steuerte auf eine riesige, schillernde Wolke zu, die in allen Farben des Regenbogens leuchtete. Als sie näherkamen, erkannte Lucy, dass die Wolke aus unzähligen, winzigen Farbpartikeln bestand, die wie Glühwürmchen tanzten. Das Bett tauchte sanft in die Wolke ein, und plötzlich war alles um Lucy herum ein wirbelndes Kaleidoskop. Ein sattes, warmes Gelb flüsterte ihr von Sonnentagen und dem Geschmack von Honig. Ein kühles, beruhigendes Blau sang von den Tiefen des Ozeans und den Geheimnissen, die dort verborgen lagen. Ein kräftiges, fröhliches Rot lachte und erzählte Geschichten von reifen Kirschen und aufregenden Geburtstagsfesten.
Lucy streckte ihre Hände aus und konnte die Farben berühren. Das Grün fühlte sich an wie weiches Moos, das Lila war glatt und kühl wie ein Kieselstein in einem Bach. Sie malte mit ihren Fingern leuchtende Spuren in die farbige Luft und lachte, als ein Schwarm kleiner, oranger Farbtupfer um ihre Nase kitzelte. Das Bett schaukelte sie sanft durch dieses Meer aus Emotionen und Empfindungen, bis sie sich fühlte, als wäre sie selbst ein Teil des Regenbogens.
Als sie die Farbwolke verließen, trug das Bett sie weiter, getragen von einer sanften Brise, die nach Zuckerwatte roch. Am Horizont erschien ein Land, das vollständig aus Süßigkeiten gebaut war. Die Berge waren aus Schokolade, gekrönt von Puderzuckerschnee. Flüsse aus Limonade schlängelten sich durch Täler aus Marzipan, und die Bäume hatten Lollis als Früchte und Zuckerstangen als Äste.
Das Bett landete sanft auf einer Wiese aus grünem Zuckerguss. Lucy sprang vorsichtig heraus und ihre Füße landeten mit einem leisen Knistern auf dem süßen Boden. Sofort kamen kleine Lebkuchenmännchen angelaufen. Sie trugen winzige Hüte aus Gummibärchen und winkten ihr aufgeregt zu.
„Willkommen, willkommen im Schlaraffenland!“, riefen sie im Chor. „Möchtest du eine Runde auf dem Karamell-Karussell drehen oder im Schokoladen-See schwimmen?“
Lucy konnte ihr Glück kaum fassen. Sie pflückte einen Himbeer-Lolli von einem Strauch und ließ sich von den Lebkuchenmännchen zu einem Fluss aus flüssiger, warmer Schokolade führen. Dort lagen Boote aus Waffeln bereit. Lucy stieg in eines und paddelte mit einem Löffel aus Keks durch den süßen Strom. Sie fuhr an Ufern vorbei, an denen Bonbon-Blumen blühten und Marshmallow-Schafe auf grünen Wiesen aus Wackelpudding grasten. Es war ein köstliches Abenteuer, und der Duft von Vanille und frisch gebackenen Keksen lag in der Luft.
Doch die Reise ging weiter. Das Traumbett hob wieder ab, winkte den Lebkuchenmännchen zum Abschied und stieg über die Schokoladenberge hinweg. Der süße Duft verblasste langsam und wurde durch den salzigen Geruch des Meeres ersetzt.
Unter ihnen erstreckte sich nun ein endloser Ozean. Aber es war kein gewöhnlicher Ozean. Das Wasser war kristallklar und leuchtete von innen heraus in einem sanften Türkis. Lucy konnte bis auf den Grund sehen. Dort schwammen nicht nur Fische, sondern auch Sterne. Kleine, silberne und goldene Sterne zogen in glitzernden Schwärmen umher, genau wie Fische in der wachen Welt.
Das Bett tauchte langsam unter die Wasseroberfläche. Eine magische, unsichtbare Blase bildete sich um Lucy und ihr Bett, sodass sie atmen konnte und nicht nass wurde. Sie schwebte durch eine Welt von atemberaubender Schönheit. Anmutige Delfine mit Flügeln aus Mondlicht zogen an ihr vorbei und zwinkerten ihr zu. Riesige, freundliche Wale sangen leise Melodien, die das Wasser in sanfte Schwingungen versetzten. Korallenriffe leuchteten in Farben, die Lucy noch nie zuvor gesehen hatte, und aus den Muscheln am Meeresgrund perlten statt Perlen kleine, gefangene Lachtränen empor.
Ein kleiner Seestern-Fisch, dessen Zacken wie Diamanten funkelten, stupste neugierig gegen die Blase. Lucy legte ihre Hand an die unsichtbare Wand, und der kleine Stern schmiegte sich von der anderen Seite an ihre Handfläche. Es war ein Moment reinen Glücks, eine stille Verständigung zwischen dem Mädchen aus der wachen Welt und den Kreaturen des Traum-Ozeans.
Nachdem sie die Wunder des Sternen-Ozeans erkundet hatten, stieg das Bett wieder auf, durchbrach die glitzernde Oberfläche und schwebte in den Himmel, der nun nicht mehr schwarz, sondern von einem tiefen, samtigen Indigo gefärbt war. Tausende von Sternen funkelten wie Diamanten auf einem dunklen Tuch. Und sie waren nicht still.
Als das Bett höher stieg, konnte Lucy es hören. Eine leise, wunderschöne Musik, die von den Sternen selbst zu kommen schien. Jeder Stern hatte seinen eigenen Ton, seine eigene Melodie. Die kleinen, funkelnden Sterne spielten hohe, klare Töne wie eine Triangel, während die großen, hell leuchtenden Sterne tiefe, beruhigende Klänge wie ein Cello von sich gaben. Zusammen bildeten sie ein riesiges Himmelsorchester.
Das Traumbett wurde zum Tänzer in diesem kosmischen Konzert. Es wiegte sich im Takt der Sternenmusik, drehte sanfte Pirouetten um den Großen Wagen und schwebte in eleganten Bögen durch die Milchstraße. Lucy lag auf dem Rücken, schaute in den musizierenden Himmel und fühlte die Musik in ihrem ganzen Körper. Es war, als würden die Sterne ihr ein Schlaflied singen, eine uralte Melodie über die Entstehung des Universums, über schlafende Sonnen und tanzende Planeten. Die Musik erzählte von der Unendlichkeit und davon, dass alles miteinander verbunden ist, das kleinste Gänseblümchen auf der Wiese und der fernste Stern am Himmel.
Langsam, ganz langsam, wurde die Musik leiser. Die Töne wurden sanfter und die Bewegungen des Bettes ruhiger. Es war ein Zeichen, dass die Nacht sich dem Ende neigte und der Morgen nicht mehr fern war. Das Bett verließ den tönenden Sternenhimmel und begann seinen sanften Abstieg zurück zur Erde.
Es glitt über schlafende Wälder, in denen die Bäume leise im Wind wisperten. Lucy sah im Traum, wie die Tiere schliefen – die Füchse eingerollt in ihren Bauten, die Eulen lautlos auf den Ästen und die Rehe dicht aneinander gekuschelt im weichen Moos. Sie flog über stille Städte, in denen nur hier und da ein Fenster leuchtete, und über dunkle Seen, in denen sich die Sterne spiegelten.
Das Bett fand zielsicher den Weg zurück zu Lucys kleinem Haus. Es schwebte durch das Dach, so mühelos wie es aufgestiegen war, und senkte sich langsam in ihr Zimmer. Die Bettpfosten berührten mit einem kaum hörbaren „Klick“ den Holzboden. Das sanfte Summen verklang. Die gestickten Sterne auf ihrer Decke hörten auf zu leuchten, und der freundliche Mond schien wieder nur aus Baumwollgarn zu bestehen.
Als die ersten zarten rosa und orangen Streifen des Morgengrauens durch ihr Fenster schienen, rührte sich Lucy. Sie blinzelte, streckte sich genüsslich und gähnte. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, noch bevor sie die Augen ganz geöffnet hatte.
Sie setzte sich auf und schaute sich in ihrem Zimmer um. Alles war an seinem Platz. Die Bücher im Regal, die Spielzeugkiste in der Ecke, die Kleider auf dem Stuhl. Nichts verriet die unglaublichen Reisen der vergangenen Nacht. Aber Lucy wusste es.
Sie konnte noch immer das Gefühl der Farben auf ihrer Haut spüren. Ein Hauch von Schokoladenduft schien noch in der Luft zu liegen. In ihren Ohren klang leise die Melodie der Sterne nach, und in ihrem Herzen trug sie die stille Freundschaft mit dem kleinen Seestern-Fisch.
Lucy sprang aus dem Bett, das nun wieder ein ganz gewöhnliches Bett zu sein schien, und lief zum Fenster. Draußen erwachte die Welt. Die Vögel begannen zu zwitschern, und die Blumen auf der Wiese reckten ihre Köpfe der aufgehenden Sonne entgegen. Es war ein neuer Tag, der darauf wartete, mit Lachen, Spielen und neuen Abenteuern gefüllt zu werden.
Aber Lucy wusste, dass die aufregendsten Abenteuer auf sie warteten, wenn sie am Abend wieder in ihr Bett kletterte. Denn sie hatte das wunderbarste Geheimnis der Welt: ein ganz normales Holzbett, das sich Nacht für Nacht in ein fliegendes Zauberbett verwandelte und sie zu den schönsten Träumen der Welt trug. Und während sie die kleinen Erdbeerpflanzen im Garten betrachtete, freute sie sich schon auf die nächste Nacht und die nächste unglaubliche Reise mit ihrem fliegenden Traumbett.



















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