Auf einem grünen Bauernhof, wo Hühner gackerten, Schweine grunzten und Kühe muhten, lebte eine ganz besondere Gans namens Gabi. Gabi war anders als die anderen Gänse. Während ihre Schwestern und Brüder es liebten, im Teich zu schwimmen und lauthals zu schnattern, hatte Gabi einen geheimen Traum: Sie wollte ein Hund sein!
Gabi bewunderte die beiden Hofhunde, Rex und Bello, mit ihren wuscheligen Ohren, wedelnden Schwänzen und ihrer Fähigkeit, auf Kommando zu sitzen, zu bellen und Stöckchen zu holen. „Oh, wie ich mir wünschte, ich wäre ein Hund“, seufzte Gabi oft, wenn sie Rex sah, wie er fröhlich einem Ball hinterherjagte. Sie versuchte, wie ein Hund zu bellen, aber aus ihrer Kehle kam nur ein krächzendes „Quaaack!“. Sie versuchte, mit ihrem Bürzelschwanz zu wedeln, aber der war viel zu kurz und steif, um wirklich zu wedeln.
Eines sonnigen Nachmittags beschloss Gabi, dass es Zeit war, ernsthaft an ihrem Hund-sein-Training zu arbeiten. Sie schlich sich zu Rex und Bello, die gerade ein Nickerchen in der Sonne machten. Vorsichtig stupste sie Rex mit ihrem Schnabel an. Rex öffnete ein Auge und blickte Gabi verwundert an. „Was gibt’s, Gabi?“, bellte er gähnend.
„Ich möchte lernen, ein Hund zu sein!“, schnatterte Gabi aufgeregt. Rex und Bello sahen sich an und konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Eine Gans, die ein Hund sein will?“, fragte Bello amüsiert. „Das ist ja das Lustigste, was ich je gehört habe!“ Aber Gabi ließ sich nicht entmutigen. „Bitte! Zeigt mir, wie es geht!“, flehte sie.
Die Hunde waren gerührt von Gabis Entschlossenheit und beschlossen, ihr eine Chance zu geben. „Also gut“, sagte Rex. „Als Erstes: Sitz!“ Gabi versuchte, sich hinzusetzen, aber ihre langen Beine knickten unbeholfen ein, und sie plumpste unsanft auf ihren Hintern. „Oje“, murmelte Bello, „das wird noch dauern.“
Als Nächstes kam das Bellen. „Mach ein lautes ‚Wuff! Wuff!'“, zeigte Rex vor. Gabi nahm all ihre Kraft zusammen, presste die Luft aus ihrer Lunge, aber alles, was herauskam, war ein jämmerliches „Quaaack-wuff!“. Die Hühner in der Nähe begannen vor Lachen zu gackern. Gabi wurde rot.
Das schwierigste Training war das Stöckchenholen. Rex warf ein Stöckchen, und Gabi rannte mit ihren kurzen Beinen so schnell sie konnte hinterher. Sie schnappte das Stöckchen mit ihrem Schnabel, aber es war viel zu groß und sperrig. Sie stolperte über ihre eigenen Füße und landete mit einem Platsch im Ententeich. Die Enten schauten sie verdutzt an.
Tag für Tag übte Gabi. Sie versuchte, zu graben, wie Rex es tat, aber ihre Flügel waren nicht zum Graben gemacht. Sie versuchte, mit ihrer Nase Spuren zu verfolgen, aber ihr Schnabel war viel besser geeignet, um im Schlamm nach Würmern zu stochern. Sie wurde langsam frustriert. „Ich werde wohl nie ein richtiger Hund sein“, schnatterte sie traurig.
Rex und Bello sahen, wie traurig Gabi war. „Gabi“, sagte Rex sanft, „du musst kein Hund sein, um etwas Besonderes zu sein. Du bist eine wunderbare Gans! Und du bist sehr gut darin, eine Gans zu sein.“ Bello nickte zustimmend. „Du bist viel schneller im Wasser als wir, und du kannst Dinge sehen, die wir nicht bemerken, wenn du deinen langen Hals streckst.“
Gabi dachte darüber nach. Es stimmte. Sie konnte elegant schwimmen, und ihr langer Hals war perfekt, um nach den saftigsten Gräsern zu suchen. Sie konnte auch lauthals schnattern, wenn ein Fremder dem Hof zu nahe kam, und so die Bauern warnen. Das war doch auch wichtig!
Von diesem Tag an hörte Gabi auf, ein Hund sein zu wollen. Sie lernte, ihre Gänse-Fähigkeiten zu schätzen. Sie schwamm elegant im Teich, führte ihre Schar stolz über die Weide und warnte mit ihrem lauten Schnattern, wenn Gefahr drohte. Und obwohl sie nie bellen oder Stöckchen holen konnte, war sie die beste Gans, die es auf dem Hof gab. Und Rex und Bello, ihre Hundefreunde, waren stolz auf sie – nicht als Hund, sondern als die einzigartige und mutige Gans, die Gabi war.
Als die Sonne am Abend hinter den Hügeln verschwand, kuschelte sich Gabi zu ihrer Familie in den Gänsestall. Sie war müde, aber glücklich. Sie hatte ihren Platz gefunden und wusste, dass es das Beste war, einfach man selbst zu sein. Und so schlief Gabi, die Gans, die einst ein Hund sein wollte, friedlich ein und träumte von großen Gänse-Abenteuern.



















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