Für den kleinen, sechsjährigen Timmy gab es auf der ganzen Welt keinen größeren Helden als seinen Papa. Sein Papa war nämlich Klempner. Er war nicht so ein Superheld, der fliegen oder Wände hochklettern konnte, aber er hatte einen Super-Werkzeugkasten, der bei jedem Schritt klapperte und klimperte. Wenn Papa nach Hause kam, roch er ein bisschen nach Metall und Abenteuer, und Timmy liebte diesen Geruch.
Timmy hatte auch einen eigenen Werkzeuggürtel. Er war aus leuchtend gelbem Plastik und darin steckten ein kleiner Spielzeug-Hammer, eine Zange, die lustige Quetschgeräusche machte, und ein Schraubenschlüssel, der eigentlich viel zu groß für alle Schrauben in seinem Kinderzimmer war. Wenn sein Papa abends im Wohnzimmer saß und von seiner Arbeit erzählte – von Rohren, die er verbunden, und von Heizungen, die er wieder zum Laufen gebracht hatte – saß Timmy mit großen Augen daneben, seinen gelben Gürtel fest umgeschnallt, und nickte ernst.
„Und dann, Timmy“, sagte Papa eines Abends, „war da dieses Gluckern in der Leitung. Wie ein kleines Monster, das sich versteckt hatte. Aber ich habe es gefunden und mit meiner Spezialzange überlistet!“
„Wow!“, flüsterte Timmy. Er wusste genau, was er werden wollte, wenn er groß war: der beste Klempner der ganzen Stadt, genau wie Papa.
Eines Samstagsmorgens wachte Timmy nicht vom Wecker oder den Sonnenstrahlen auf, sondern von einem Geräusch.
Tropf…
…Tropf…
…Tropf…
Es war ein leises, aber hartnäckiges Geräusch aus dem Badezimmer. Timmy spitzte die Ohren. Das klang nach einem Fall für einen echten Klempner!
Er schlich aus seinem Bett, zog seinen gelben Werkzeuggürtel an und ging der Sache auf den Grund. Im Badezimmer sah er es: Der Wasserhahn am Waschbecken ließ im Sekundentakt einen dicken Wassertropfen in das Becken fallen.
Tropf… Pling! Tropf… Pling!
Seine Mama kam gähnend ins Bad. „Oh, dieser Wasserhahn“, seufzte sie. „Er tropft schon seit gestern. Dein Papa wollte ihn heute reparieren, aber er musste ganz dringend zu Frau Maier, weil ihre Spülmaschine ausgelaufen ist.“
In Timmys Kopf machte es „Klick“. Das war seine Chance! Er konnte Papa zeigen, was für ein großartiger Klempner-Lehrling er war. Er würde den tropfenden Wasserhahn reparieren. Ganz alleine. Das würde eine riesige Überraschung werden!
Sobald seine Eltern in der Küche frühstückten, schlich Timmy zurück ins Badezimmer und schloss leise die Tür. Er schob sich den kleinen Hocker vor das Waschbecken und kletterte hinauf. So, nun war er auf Augenhöhe mit dem silbernen Übeltäter.
„So, du frecher Wasserhahn“, flüsterte er streng. „Jetzt ist Schluss mit dem Getropfe!“
Zuerst nahm er seinen großen Plastik-Schraubenschlüssel. Er versuchte, ihn um den Griff des Wasserhahns zu legen, aber der Schlüssel rutschte immer wieder ab. Dann versuchte er es mit seiner Quetsch-Zange. Er packte den Hahn und drückte zu. Die Zange machte ein lautes „Quietsch!“, aber der Tropfen ließ sich davon nicht beeindrucken.
Tropf… Pling!
Timmy seufzte. Klempner zu sein war anstrengender, als er dachte. Er runzelte die Stirn, genau wie Papa es immer tat, wenn er nachdachte. Vielleicht brauchte der Wasserhahn nur ein bisschen Zureden?
„Hör bitte auf zu tropfen, lieber Wasserhahn“, versuchte er es freundlich. „Du verschwendest all das gute Wasser.“ Aber der Hahn hörte nicht zu.
Tropf… Pling!
Jetzt wurde Timmy ein bisschen wütend. Er nahm seinen kleinen Hammer. Er wollte dem Hahn natürlich nicht wehtun, nur einen kleinen Klaps geben, damit er aufwachte und mit dem Tropfen aufhörte. Er holte aus und gab dem Wasserhahn einen sanften Stups.
Tock!
Der Tropfen, der gerade fallen wollte, zögerte für eine Millisekunde. Timmy hielt den Atem an. Hatte er es geschafft?
Doch dann… Tropf-tropf-tropf-tropf!
Oh nein! Anstatt aufzuhören, tropfte es jetzt viel schneller! Aus dem einzelnen, langsamen Tropfen war ein schnelles, panisches Tröpfeln geworden. Kleine Wasserspritzer landeten auf Timmys Nase.
Genau in diesem Moment ging die Tür auf und sein Papa stand im Rahmen. Er hatte seinen großen, echten Werkzeugkasten in der Hand. „So, mein Schatz“, sagte er zu Timmy, ohne zu sehen, was los war. „Frau Maier ist gerettet, jetzt kümmern wir uns um unser kleines Tropf-Mon…“ Er hielt inne und sah den schnell tropfenden Hahn und den sehr schuldbewusst dreinblickenden Timmy auf dem Hocker.
Timmy wurde ganz rot. „Ich… ich wollte dir nur helfen, Papa“, murmelte er und erwartete Schimpfe.
Doch sein Papa lachte leise. Er stellte seinen Werkzeugkasten ab, kam zu Timmy und wuschelte ihm durch die Haare. „Ich sehe schon“, sagte er mit einem warmen Lächeln. „Da war schon ein Meister-Klempner am Werk.“
Er schimpfte gar nicht. Stattdessen kniete er sich neben den Hocker. „Weißt du, was das Problem ist, mein kleiner Kollege?“, fragte er. Timmy schüttelte den Kopf.
„Im Inneren des Wasserhahns“, erklärte Papa, „gibt es eine kleine Gummidichtung. Stell sie dir vor wie ein winziges Türsteher-Plättchen. Wenn man den Hahn zudreht, drückt sich das Plättchen davor und lässt kein Wasser mehr durch. Aber mit der Zeit wird dieses Gummiteil müde und ein bisschen brüchig. Dann kann sich immer ein kleiner Tropfen vorbeischleichen.“
Er öffnete seinen Werkzeugkasten und der wunderbare Geruch von Metall und Öl stieg Timmy in die Nase. „Dein Klopfen hat den alten Türsteher nur noch ein bisschen mehr aufgeweckt“, zwinkerte Papa. „Aber keine Sorge, das kriegen wir gemeinsam hin. Du bist ab sofort mein offizieller Assistent.“
Timmys Augen begannen zu leuchten. „Wirklich?“
„Absolut!“, sagte Papa. „Deine erste Aufgabe: Reiche mir bitte die Rohrzange. Die große, rote.“
Timmy griff aufgeregt in den Werkzeugkasten und zog das schwere, kühle Werkzeug heraus. Es fühlte sich so echt und wichtig an. Er gab es seinem Papa. Dann durfte er die Taschenlampe halten, damit Papa alles gut sehen konnte. Er beobachtete, wie Papa mit ein paar geschickten Handgriffen den Griff abschraubte und die alte, rissige Dichtung herausholte.
„Siehst du?“, sagte Papa und zeigte ihm das kleine, schwarze Gummiteil. „Ganz müde und kaputt.“
Dann gab er Timmy eine brandneue, glatte Dichtung in die Hand. „Hier, das ist das wichtigste Teil. Der neue, superstarke Türsteher. Darf ich bitten, Herr Assistent?“
Ganz vorsichtig legte Timmy die neue Dichtung in Papas Hand. Papa setzte sie ein, schraubte alles wieder zusammen und drehte den Hahn fest zu.
Und dann… Stille.
Kein Tropf. Kein Pling. Nur Stille.
Sie lauschten beide einen Moment. Nichts. Der Wasserhahn war repariert.
„Teamwork!“, sagte Papa und hielt Timmy seine große Hand für ein High-Five hin. Timmy klatschte mit seiner kleinen Hand dagegen. Es machte ein lautes Geräusch.
An diesem Abend, als Timmy im Bett lag, stand sein gelber Werkzeuggürtel ordentlich auf dem Nachttisch. Er war müde, aber unglaublich glücklich. Er hatte den Wasserhahn nicht alleine repariert, aber er hatte Papa geholfen. Er hatte gelernt, was eine Dichtung ist, und er hatte ein echtes Werkzeug in der Hand gehalten.
Er wusste, dass er noch viel lernen musste, bis er so ein guter Klempner wie sein Papa sein würde. Aber er wusste auch, dass es nichts Schöneres auf der Welt geben konnte, als an der Seite seines größten Helden zu arbeiten und gemeinsam das Geheimnis eines tropfenden Wasserhahns zu lüften. Und mit diesem Gedanken schlief er ein und träumte von glänzenden Rohren und dem zufriedenen Geräusch von fließendem Wasser.



















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